Gemeindeversammlung oder Parlament
Bericht von der Mitgliederversammlung

Demokratie ist auch eine Qualitätsfrage. Pierrette Chollet fand Sympathie für ihr Plädoyer zugunsten der Einführung eines Gemeindeparlamentes in Wallisellen.

Noch frisch sind die Eindrücke von der vergangenen Gemeindeversammlung. Grosse Teile der Anwesenden verstanden entweder akustisch nicht, was vor sich ging, oder sie blickten sonst nicht durch: Wenn man dafür ist, muss man dann zum Rückweisungsantrag Nein stimmen ? Gerade jene, welche noch nie an einer Versammlung gesehen wurden, haben sich teilweise störend verhalten. Mehrfach wurde der Mut spürbar, welchen man/frau braucht um sich ans Mikrofon zu wagen. Wer kann effektiv kontrollieren, ob alle stimmberechtigt waren? Wenn man sich dann noch vorstellt, dass weniger als 10% der Stimmberechtigten anwesend waren und dennoch bereits dieses Chaos. Dabei hat der Gemeinderat im Rahmen seiner Möglichkeiten durchaus korrekt gehandelt. Manche der von beiden Seiten zusätzlich Mobilisierten empfanden es als Zumutung für ihre Überzeugung (oder aus Gefälligkeit für Nachbarn und Freunde) diese stundenlange „Folter“ durchhalten zu müssen. Das Fazit von Pierrette Chollet: Die Gemeindeversammlung stösst rasch an natürliche Grenzen.

Wallisellen wächst weiter

Mit über 11'000 Einwohnern wäre ein Parlament schon lange angebracht. Dank weiterer Wohnbautätigkeit muss noch mit einer Zunahme der Bevölkerung gerechnet werden. Ein immer grösserer Teil der Bevölkerung geht grundsätzlich nicht an Gemeindeversammlungen. An Wahlen und Urnenabstimmungen nehmen hingegen rund 50% teil, die Legitimation dieser Resultate steht ausser Zweifel. In den letzten Jahren wurden die Kompetenzen der Exekutive dauernd vergrössert, Behörden abgeschafft, wichtige Teile desVermögens und der wirtschaftlichen Tätigkeiten der Gemeinde ausgegliedert, so dass nicht einmal mehr die RPK eine Kontrolltätigkeit ausüben kann. Dem sozusagen allmächtigen und einseitig zusammengesetzten Gemeinderat steht nur die Gemeindeversammlung gegenüber, ein schwaches und wankelmütiges Gremium. Unter diesen mangelhaften und bereits ungleichgewichtigen Bedingungen wäre jede weitere Verschiebung von Macht, z.B. durch die Übernahme der Kompetenzen der Schule in denGemeinderat, nicht zu verantworten. Eine Angelegenheit wie die Zusammenlegung der Ortsgemeinden darf nicht isoliert betrachtet und gelöst werden. Man muss sie im Gesamtzusammenhang von Kompetenzaufteilung und Kontrolle, Grösse der Gemeinde, Trennung öffentlicher und privater Interessen, Gleichgewicht oder Schieflage und Qualität der Demokratie beurteilen.

Glow

Ähnliche Fragen stellten sich beim nächsten Thema: Glow, die Glatttalstadt. Ruedi Lais demonstrierte anhand einer Skizze das Durcheinander an Zweckverbänden, bei welchen unsere Gemeinde mitmache. Immer wieder mit einer anderen Gruppe von Gemeinden. Demokratische Kontrolle oder auch nur ein gewisser Überblick ist kaum mehr möglich. Für die eigentlich längst zu einer einzigen Siedlung zusammengewachsenen Städte des mittleren Glatttals sei inPlanungs- und Verkehrsfragen eine schleichende Unregierbarkeit
entstanden. So leide Wallisellen unter der Bautätigkeit von Dietlikon, zwischen den verschiedenen Gemeinden entstünden oft an bester Lage Niemandslandschaften. Nur durch die Bündelung von Kompetenzen in einer regionalen überkommunalen Organisation mit demokratischen Strukturen liessen sich Gestaltungs- und Ordnungskräfte zurückgewinnen.

Heine J. Dietiker