Der Autoverkehr soll auf Kantonsstrassen in Zürich und Winterthur nicht mehr eingeschränkt werden dürfen. Das ist die Forderung, welche die SVP mit ihrer Anti-Stau-Initiative in die Zürcher Verfassung schreiben wollte. Dies, nachdem ein Spurabbau am Bellevue zu Streit zwischen Stadt und Kanton geführt hatte, welchen das Verwaltungsgericht zugunsten der Stadt entschied.

Die rechte Mehrheit im Kantonsrat geht nun sogar noch weiter. Nicht nur in den Grossstädten soll das Auto auf den Kantonsstrassen wieder absolute Priorität haben, sondern in allen Gemeinden. Der Gegenvorschlag ist also nicht wie üblich ein Kompromiss, sondern eine noch extremere Forderung.

In den Grossstädten, aber auch in Gemeinden wie Wallisellen, gibt es zahlreiche Massnahmen, um den Durchgangsverkehr einigermassen in erträgliche Bahnen zu lenken. Sie dienen der Schulwegsicherung, den Fussgängern, Velofahrern und Linienbussen, zur Lärmbekämpfung oder schlicht zur Umleitung des Autoverkehrs auf Umfahrungsrouten, am Beispiel Wallisellens die Autobahn und die Achse Industrie-/Weststrasse.

In den Ortszentren gibt es dann Lichtsignalanlagen, Geschwindigkeitsbeschränkungen, Verengungen, Mittelinseln, separate Busspuren und -Haltestellen auf der Fahrbahn sowie Bus-Lichtsignale und sehr vereinzelt Aufpflästerungen zum Schutz von Übergängen, etwa um Schulhäuser.

Mit der Formulierung, dass Beschränkungen der Kapazität für den Autoverkehr auf der gleichen Achse mindestens zu kompensieren sind, greifen die SVP und ihre Allianz also die seit Jahrzehnten erprobte Verkehrspolitik für Ortszentren frontal an. Denn Kapazitätsausbauten durch Umfahrungsstrassen kosten Unsummen und verschlingen wertvolles Kulturland, oder es müssen parallele Quartierstrassen für den Durchgangsverkehr geöffnet werden.

Eine Stadt oder Gemeinde und ihre Siedlungszentren müssen mehr sein als ein lästiges Verkehrshindernis für durchfahrende Automobilisten. Dutzende von Gemeinden – auch Wallisellen – haben Konzepte realisiert, die ein sinnvolles Miteinander von ÖV, Velo- und Fussverkehr sowie Zubringer-Autoverkehr ermöglichen und gleichzeitig zur Verkehrssicherheit und zur Lärmbekämpfung beitragen. Dabei arbeiten stets Gemeinde und Kanton, Tiefbau und Polizei, Schule und Verkehrsbetriebe eng zusammen. Die absolute Forderung nach stetigem Ausbau der Strassenkapazität für den Durchgangsverkehr innerorts - und das dazu noch in der Kantonsverfassung! – will jede Verbesserung der Lebens- und Aufenthaltsqualität in Ortskernen verhindern, wenn dazu der Autoverkehr eingeschränkt werden müsste. Sie eliminiert dafür auch den Spielraum von Kanton und Gemeinden. Entsprechende Initiativen, die das Strassengesetz im Sinn der SVP-Autoverkehrspolitik ändern wollen, sind schon seit langem im Kantonsrat eingereicht. Diese Verkehrspolitik ist eine Sackgasse, die wir mit einem Nein zur Anti-Stau-Initiative (Gegenvorschlag) vermeiden müssen.

Ruedi Lais ist Kantonsrat und Mitglied der Verkehrskommission KEVU

Dieser Artikel erschien im Anzeiger von Wallisellen vom 7.9.2017