SP: Sozialpolitik

Im Streit um die Sozialpolitik ist der Fokus meist nur auf die Kosten ausgerichtet. Dabei droht die Öffentlichkeit den Nutzen von Prävention und Integration aus den Augen zu verlieren.

Menschliche Gruppen beziehen ihre Kraft nicht nur aus der Summe ihrer Mitglieder, sondern vor allem aus den zwischen diesen bestehenden Bindungskräften. Integration ist deshalb ein gesamtgesellschaftlicher Prozess, der die Bevölkerung miteinbeziehen muss. Integration meint die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Einbindung aller Gesellschaftsmitglieder mit dem Oberziel der Chancengleichheit. Beides „Fördern und Fordern“ ist dabei wichtig. Chancengleichheit ist ein Garant für ein friedliches Zusammenleben aller und Grundlage für die Identitätsstiftung einer Volksgemeinschaft.

Weg zurück nicht versperren

Familien, die aus dem produktiven Prozess herausgefallen sind, haben es sehr schwer, aus eigener Kraft wieder Tritt zu finden. Je länger dieser Zustand dauert, desto schwieriger wird es. Ein Desintegrations-Prozess ist am Wirken, gerade auch auf die Kinder solcher Familien. Helfen ist eine der anspruchsvollsten Aufgaben überhaupt, denn falsch helfen kann dazu führen, dass in die Hilflosigkeit hinein betreut wird. Richtig helfen muss also immer auch die Fähigkeit stärken, wieder selbstständig zu werden.

Integration ist eine Querschnittaufgabe. Um eine kohärente und koordinierte Integrationsförderung zu ermöglichen, braucht es die Mitwirkung wichtiger Partner aus Wirtschaft, Politik und den sozialen Werken in der Schweiz.

Teilhabe ermöglichen

Schulerfolg ist immer noch der Schlüssel zum sozialen Aufstieg.

Es gibt keine isolierte Integrationsmassnahme, viele Komponenten müssen zusammen wirken. Ohne sprachliche Integration wird die schulische Integration verhindert. Ohne schulische Integration wird die Arbeitsintegration enorm erschwert. Die Sprache sprechen, gebildet sein, Arbeit haben, am gesellschaftlichen Leben teilhaben, das alles zusammen bedeutet integriert zu sein. Arbeit ist dabei der zentrale Faktor, nicht nur wegen des damit verbundenen Einkommens, sondern auch wegen des Status, der sozialen Kontakte und dem daraus hervorgehenden Selbstwertgefühl. In dem Sinne ist Eigenverantwortung ein Ziel von Integration. Als Programm hingegen taugt Eigenverantwortung nicht, wenn damit nur gemeint ist, man solle Hilfsbedürftige im Stich lassen.

Notlagen vermeiden

Dass Menschen in Not geraten, hätte man oft lange vorher verhindern können. So wie gesund leben die Krankheitskosten tief hält, kann eine vorausschauende Politik die Fallzahlen senken. Jede Massnahme, die Integration unterstützt, bedeutet im weitesten Sinne Prävention. Ein Kind zum Beispiel, welches die Sprache vor dem Kindergarten lernen kann, wird bessere Startbedingungen für die Schule haben. - Eine präventive Massnahme wäre hier z.B. eine Spielgruppe mit Sprachförderung für das fremdsprachige Kind. - Bessere Startbedingungen für die Schule bedeuten bessere Chancen für den späteren Übergang in die berufliche Ausbildung. Schulerfolg ist immer noch der Schlüssel zum sozialen Aufstieg. Berufliche Ausbildung sichert bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt und damit die Grundlage für wirtschaftliche Selbstständigkeit und Sicherheit. Dies fördert wiederum die soziale und kulturelle Einbindung in der Gesellschaft. Und zuletzt macht es den entscheidenden Unterschied, ob aus dem Kind eine Person wird, welche zur produktiven Leistung beiträgt, oder jemand, der auf Unterstützung angewiesen ist. Politische Kreise, die Prävention als grundsätzlich nicht messbar erachten und daher selten gewillt sind, hier zu investieren, funktionieren kurzsichtig und missachten Erfahrungswerte im schulischen, gesundheitlichen und sozialen Umfeld. Sie negieren wissenschaftlich erhobene Daten z.B. im Bereich der Frühförderung. Tatsache ist: Prävention und Integration haben einen Nutzen, der ihre Kosten bei weitem übersteigt.

Dieser Artikel erschien am 10.12.2015 im Anzeiger von Wallisellen