Einheitskasse: eine Chance
Abstimmung vom 11. März 2007
Einen Ausbruch aus der seit Jahren schwelenden Malaise des Gesundheitswesens könnte das Ja zur Einheitskasse bringen.
Einzig die USA geben noch mehr pro Kopf für die Gesundheit aus wie wir Schweizer. Mit 11.8 Prozent des Bruttosozialproduktes figurieren wir demnach als Vizeweitmeister im Geld ausgeben für Gesundheit, ohne dass wir dabei allerdings besser behandelt würden, als die Patienten beispielsweise in den skandinavischen Ländern oder Kanada, welche rund ein Viertel weniger ausgeben. Was sind eigentlich die Gründe dafür, dass unser Gesundheitswesen so teuer ist und Jahr für Jahr mehr wächst als die restliche Wirtschaft?
Markt am falschen Ort
Krankenkassen sind reine Zahlstellen. Sie salben nicht, operieren nicht und geben uns keine Spritze. Zwischen Leistungserbringern machte Wettbewerb Sinn. Zwischen Zahlstellen nicht. Allein die Tatsache, dass es fast 100 Krankenkassen in der Schweiz gibt, bläht die Bürokratiekosten massiv auf. Nicht nur die fürstlichen Gehälter von beinahe 100 Kassendirektoren belasten unser Portemonnaie, auch die Kassenwechselbürokratie, die Aufwendungen für Werbung, ja sogar die gerade jetzt so aktive Lobbytätigkeit der mächtigen und einflussreichen Gilde der Kassenapparatschicks zahlt letztlich der Versicherte mit seiner Prämie. Gleichzeitig verunmöglicht allein die Tatsache, dass es so viele Kassen gibt, dass Schwarze Schafe des Gesundheitswesens, welche Leistungen verrechnen, die unnötig waren, oder solche, die sie nicht oder nicht im veranlagten Umfang erbracht haben, entdeckt und überführt werden können.
Gewollte Intransparenz
Im Gesundheitswesen gibt es so viele Akteure, dass letztlich niemand nach rationalen und fairen Kriterien gestalten kann. 100 Kassen, der Bund, die Kantone, die Leistungserbringer etc.; jeder Versuch hier etwas mehr Übersicht ins System zu bringen ist zum Scheitern verurteilt. Die politischen Mechanismen und der Filz im Gesundheitswesen erinnern an die Situation bei der Swissair vor dem Grounding von 2001 oder im EMD vor der GSOA Abstimmung von 1989. In allen drei Fällen haben wir es mit einer Lobby zu tun, die so mächtig ist oder war, dass sie Kritik totschweigen, jede seriöse Berichterstattung in den Medien unterbinden und sogar ungestraft Desinformation betreiben konnte, und kann. Wir erleben das aktuell in diesem ungleichen Abstimmungskampf. In allen drei Fällen ging und geht es um viel Geld, denn wir dürfen nicht vergessen: was bei uns an steigenden Kosten ankommt, sind die steigenden Gewinne, z.B. der Pharmaindustrie. Im Gesundheitswesen wird sich nie etwas verbessern, solange diese starke Lobby existiert. Mit einem JA zur Einheitskasse würde ein grosser Teil dieser Lobby, das Kassenkartell, zerschlagen. Wenn es dann in einem zweiten Schritt noch gelänge, die Bundeskompetenzen zulasten des kantonalen Regulierungsflickenteppichs zu stärken, dann hätten wir erstmals eine Situation, in welcher im Gesundheitswesen Gestaltung möglich wäre. Es ist offensichtlich, dass bestimmte Personen genau das nicht wollen. Und es ist klar, warum sie es nicht wollen.
Heine J. Dietiker