Regierungsrat des Kantons Zürich
8090 Zürich

Wallisellen, 25-04-2002

Weiterzug der Beschwerde gegen den Gemeinderat Wallisellen betr. Projekt und Kredit für den Bau eines Rückhaltebeckens- Freigabe von Fr. 5'075'000 als gebundene Ausgabe

Sehr geehrter Herr Regierungspräsident.
Sehr geehrte Damen und Herren Regierungsräte

In Sachen des Weiterzuges meiner Beschwerde nach dem Beschluss des Bezirksrates (Beilage) vom 19. März 2002 (von mir erhalten am 9. April 2002, Frist bis 8. Mai) stelle ich
folgende Anträge:

1. Der Beschluss des Bezirksrates Bülach und der angefochtene Gebundenheitsbeschluss des Gemeinderates Wallisellen sind aufzuheben.
2. Es ist festzustellen, welche Teile des sich seit November 2001 im Bau befindenden Rückhaltebeckens aus Sicht der Verhältnismässigkeit und Wirtschaftlichkeit noch gestoppt
werden können.
3. Eventualiter bleibt festzustellen, dass der Gemeinderat Wallisellen nicht berechtigt war, den Bau eines Rückhaltebeckens mit Gesamtkosten von Fr. 5'075'000 ohne Durchführung
einer Urnenabstimmung als gebundene Ausgabe zu bewilligen.
4. Eventualiter bleibt festzustellen, dass der Gemeinderat Wallisellen nicht berechtigt war, mit dem Bau dieser Anlage bereits vor Ablauf der Beschwerdefrist zu beginnen.


Zusammenfassung der Gründe:

A) Ein Rückhaltebecken ist nach der massgeblichen Rechtssprechung keine gebundene Ausgabe.
B) Es besteht in jedem Fall offensichtlich ein erheblicher zeitlicher Ermessensspielraum.
C) Es besteht keine konkret bindende Grundlage, weder übergeordnetes Recht, noch frühere verpflichtende Beschlüsse.
D) Es besteht ein erheblicher Spielraum in sachlicher Hinsicht.
E) Es gäbe andere Massnahmen, bei welchen mit dem Einsatz derselben Geldmittel ein weit grösserer Nutzen für den Gewässerschutz erzielt werden könnte.
F) Der Gemeinderat hat mit seinem Vorgehen vor dem angefochtenen Beschluss in treuwidriger Weise gegenüber der Stimmbürgerschaft gehandelt.


Formelles:

Die Beschwerdeführerin ist zum Weiterzug berechtigt und die Frist wurde eingehalten.

Materielles:

1. Zu den Erwägungen des Bezirksrates:

a) Kein Beschluss zuständiger Gemeindeorgane/ angeblich verspätete Einwendung:
Es trifft zu, dass der GEP materiell nie behandelt worden ist. Angesichts der in Frage stehenden Beträge wäre hierfür nicht etwa - wie der BR erwähnt - die Gemeindeversammlung sondern die Urne zuständig gewesen (Art. 12 Ziff.3 Gemeindeordnung: ab 4 Mio.). Der Bezirksrat beurteilt diese Rüge als verspätet, sie hätte nach seiner Meinung bereits im Rahmen des Kreditantrages bzw. der Abrechnung des GEP vorgebracht werden müssen.
Dazu gab es jedoch weder Gelegenheit noch Veranlassung. Kredit und Abrechnung zum GEP waren als reine Finanzvorlagen nicht zu beanstanden. Aus den Weisungen ging klar hervor, dass pro Jahr rund Fr. 100'000 an gebundenen Ausgaben zur Weiterführung des GEP notwendig sein würden (vgl. act 6/1 Seite 4). Im Umkehrschluss musste dies so verstanden werden, dass diesen Betrag übersteigende Projekte selbstverständlich dem zuständigen Gemeideorgan zum Beschluss vorgelegt werden würden. Eine materielle Abstimmung über den GEP herbeizuführen wäre schon formal nicht einfach gewesen. Es hätte aber auch die Qualität des demokratischen Prozesses und die Mitsprachemöglichkeiten der Stimmbürger-schaft in jedem Fall verschlechtert. Denn mit einer Abstimmung über den GEP hätte die Bevölkerung auf Jahrzehnte hinaus Projekten auf Vorrat zustimmen müssen, ohne jene Informationen zu besitzen, welche sich erst aus der konkreten Ausarbeitung zur jeweiligen Vorlage ergeben. Mit seinem Gebundenheitsentscheid für ein Rückhaltebecken im Betrag von über 5 Millionen Franken und dem überfallartigen Baubeginn noch vor Ablauf der Beschwer-defrist gab der Gemeinderat der Stimmbürgerschaft erstmals und völlig überraschend Veranlassung, die eigenen Rechte verletzt zu sehen, ein Rechtsmittel zu ergreifen und damit sämtliche sich aus der Vorgeschichte ergebenden Einwendungen vorzubringen.

b) Spielraum in zeitlicher Hinsicht/ Stadtbahn:
Es ist völlig unverständlich, weshalb der Gemeinderat Wallisellen und der Bezirksrat Bülach immer wieder einen Zusammenhang zwischen der Frage des angeblichen Nichtvorhanden-seins eines zeitlichen Spielraumes beim Baubeginn und den abgeschlossenen Planungen der Stadtbahn herstellen wollen. Es trifft zwar zu, dass mit dem Bau des Rückhaltebeckens nicht begonnen werden konnte, solange die Planungen der Stadtbahn nicht abgeschlossen waren. Danach konnte, musste aber nicht sofort mit dem Bau des Rückhaltebeckens begonnen werden. Ein zeitlicher Handlungsspielraum bestand nicht deswegen nicht, weil ein den Bau hinderndes Ereignis weggefallen ist, sondern nur falls Sachzwänge vorgelegen hätten, welche den sofortigen Baubeginn notwendig gemacht hätten. Dazu hat der Gemeinderat nie etwas substanziert, ausser dass er eine Spunwand zur Baugrubensicherung fertigstellen musste (s. Beschwerdeantwort). Und diese musste er einzig deshalb fertigstellen, weil er mit dem Bau begonnen hatte - ein klassischer Zirkelschluss also, aus welchem sich keine zeitliche Gebundenheit ableiten lässt.

c) Variantenstudien und sachlicher Spielraum:
Das Rückhaltebecken ist eine sehr teure Massnahme, welche neben klar negativen nur geringe positive Effekte in Richtung Gewässerschutz mit sich bringt (vgl. E). Mit einer Argumenta-tion, welche bessere Lösungen einfach als "nicht infragekommend" abtut, bliebe niemals mehr ein Fall denkbar, bei welchem noch ein sachlicher Spielraum angenommen werden und das Volk abstimmen könnte.

 

2. Zu den Ausführungen des Gemeinderates Wallisellen

a) Zeitlicher Spielraum/ Stadtbahn
Das zu dieser Frage unter 1.b) Geäusserte soll an dieser Stelle nicht wiederholt werden.

b) Vergleich mit Regenbecken in Illnau-Effretikon
Die vom Gemeinderat Wallisellen in dieser Hinsicht gemachten Aussagen (Duplik 2.3) sind falsch. Abklärungen bei der Stadt Illnau-Effretikon haben ergeben, dass die Anlage Moosberg zu weit über 50% Zielen der Siedlungsentwässerung dient. Damit muss sich das in Frage stehende Rückhaltebecken Herti diesen für den Gemeinderat unvorteilhaft ausfallenden Kosten/Nutzen-Vergleich zweier Anlagen gefallen lassen. Dies umso mehr, als in Wallisellen eine ähnliche Anlage wie in Illnau geplant war (vgl. D).

c) Anschlussvertrag mit Stadt Zürich
Es ist interessant, dass der Gemeinderat die einzige Urnenabstimmung, welche in Wallisellen zum Thema Siedlungsentwässerung jemals durchgeführt wurde, erwähnt. Es handelt sich dabei um den Vertrag mit der Stadt Zürich von 1950, welcher seit 1991 ausser Kraft ist. Beim neuen Vertrag von 1991, welchen nur der Gemeinderat genehmigte, handelt es sich keineswegs um eine blosse Aktualisierung. Anlass des neuen Vertrages war die Aufhebung der gemeinsam betriebenen Kläranlage und der Bau des Werdhölzli-Stollens (vgl. A).

d) Instandhaltung der vorhandenen Kanalisationsanlagen
Der Gemeinderat unterstellt der Beschwerdeführerschaft, einen Verzicht auf eine jährliche Erneuerungsrate von 1 Km Leitungsnetz anzustreben (Duplik). Die Gebundenheit solcher reinen Ersatzinvestitionen (ohne Kapazitätsvergrösserung) wurde in diesem Verfahren nie angezweifelt. Eine Ersatzinvestition ins Kanalnetz wäre erst dann nicht mehr gebunden, wenn das damit angeschlossene Quartier auf lange Zeit nicht mehr bewohnt werden könnte (z.B. wegen Gefährdungen der Gesundheit durch Gifte, Lärm, Bergbau, Stausee oder Strahlung). Gegenstand dieser Beschwerde ist aber keine Ersatzinvestition sondern eine ganz neue Baute.

 

3. Materielles im Einzelnen

A) Massgebliche Rechtssprechung und Lehre
Es ist unbestritten, dass eine Gemeinde zweckmässige und geeignete Massnahmen zur Siedlungsentwässerung und zum Schutz der Gewässer ergreifen muss. Gebunden sind hierbei zumeist Instandhaltungen und Renovationen. Das vorliegende Rückhaltebecken erfüllt diese Kriterien jedoch nicht. Es ist eine völlig neue Baute und definiert die Entwässerungspolitik der Gemeinde Wallisellen auf Jahrzehnte. Dieses Becken macht nur Sinn, als Ausgangspunkt für eine generelle Vergrösserung der Kanalisationskapazität. Es ist eine geradezu epochale Weichenstellung und legt die Gemeinde auf ein Mischsystem mit grossen Mengen an verunreinigtem Regenwasser fest. Damit steht es klar im Widerspruch zum Sinn des Gewässerschutzes. Das Gesetz sieht vor, dass sauberes Regenwasser primär versickert und sekundär einem Oberflächengewässer zugeführt wird (Art. 7 GSchG). Alle von diesen Zielen abweichenden Lösungen bedürfen einer Ausnahmebewilligung. Dass ausgerechnet eine solche Ausnahme als gebundene Ausgabe bewilligt wird und man sich dabei auf die Gesetzgebung, welcher die Lösung nicht entspricht, beruft, ist rechtsmissbräuchlich.
Selbst wenn aber eine Behörde unter verschiedenen Varianten eine Massnahme als die zweckmässigste und kostengünstigste Lösung einer gesetzlichen Aufgabe erkannt zu haben glaubt, führt dies nicht zur Gebundenheit der Ausgabe (vgl. BGE 95 I 222). Auch in solchen Fällen ist es Sache der Stimmberechtigten, zu entscheiden, ob es sich dabei um die richtige Lösung handle (Thalmann S. 361).
Die Literatur und Praxis zum Thema der Gebundenheit ist so komplex und umfangreich wie die Vielfalt der konkreten Situationen, welche jeweils beurteilt werden müssen. Bei einem Beschlussnotstand (Gebietskörperschaft ohne gültiges Budget) müsste die Gebundenheit sicher weiter gefasst werden, als im vorliegenden Fall, wo der Durchführung einer Volks-abstimmung nichts im Wege stand. Hier muss gelten, dass eine Ausgabe nur dann gebunden ist, wenn die Zustimmung des Stimmbürgers zum Grunderlass als Billigung der Ausgabe betrachtet werden kann. Denn das Volk soll nicht zweimal befragt werden. Dazu ist es erfor-derlich, dass die Ausgabe beim Entscheid voraussehbar war, oder es offensichtlich gleich-gültig ist, welche Mittel zur Erfüllung der Aufgabe gewählt werden (vgl. BGE 93 I 627). Da über den GEP nie abgestimmt wurde und das vorliegende Projekt von der primären Zielsetzung des Gewässerschutgesetzes deutlich abweicht, hat sich das Volk zur Frage dieses Rückhaltebeckens bis heute nicht ein einziges Mal äussern können. Diesem Rückhaltebecken liegt ein inoffizieller Grundsatzentscheid des Gemeinderates zugrunde, dem Gedanken der Trennung von sauberem Regenwasser Widerstand entgegenzusetzen und am Mischsystem festzuhalten.

Es fällt auf, dass Wallisellen in Sachen Gebundenheit einen Extremkurs zu etablieren ver-sucht. Bereits über den Beitrag an den Klärstollen Werdhölzli - immerhin eine Ausgabe von 32 Millionen - liess der Gemeinderat - entgegen einer Empfehlung der Direktion des Inneren - nicht abstimmen, während die Bevölkerung der Stadt Zürich diesem Projekt an der Urne deutlich zustimmte. Dass nicht schon damals ein Rechtsmittel eingelegt wurde, lag einzig an der Tatsache, dass die Errichtung dieses Bauwerks auf keine nennenswerte Opposition stiess.


B) Zeitlicher Ermessensspielraum
Es wurde bereits dargelegt, dass aus dem Wegfall eines Bauhindernisses (Stadtbahn) kein Zwang zum raschen Baubeginn hergeleitet werden konnte (1.b). Das Überlaufen des Kanal-systems in die Glatt bei Regen führt zwar derzeit zu einer gewissen Verschmutzung mit stark verdünntem Mischwasser. Die zusätzliche Belastung der Kläranlage durch das Rückhaltebecken wird jedoch zu einer dauernden zusätzlichen und unnötigen Belastung der Limmat führen; die Kläranlage selbst wird öfter überlaufen, die zu verarbeitende Menge steigen und der Wirkungsgrad sinken (vgl. E). Die durch das Rückhaltebecken eintretende Verbesserung ist derart gering, dass es sich gelohnt hätte für eine bessere Lösung Zeit zu investieren. Eine solche Lösung hätte auch viel mehr der Hauptstossrichtung des Gewässerschutzgesetzes entsprochen, indem es die Vermischung von sauberem und schmutzigem Wasser so weit, wie das wirtschaftlich vertretbar ist, vermeiden würde (vgl. D/E). Zumindest jedoch kann nicht behauptet werden, die Zeit zur Durchführung einer Volksabstimmung hätte nicht zur Verfügung gestanden. Die Lebensdauer solcher Investitionen beläuft sich auf 60 bis 80 Jahre. Der zeitliche Spielraum, der zur Verfügung stand, muss daher mit mehreren Jahren veranschlagt werden und ist in jedem Fall erheblich.

Interessant ist, dass das Gewässerschutzgesetz selbst für stetig anfallendes Sauberwasser bis ins Jahr 2007 eine Frist vorgegeben hat. Ab diesem Zeitpunkt darf kein ständig anfallendes Sauberwasser mehr in eine Kläranlage gelangen (Art. 76 GSchG) . Eine Investition zur Verhinderung des Eindringens von Sicker-, Grundwasser oder eines Gewässers ins Kanalnetz, das wäre ab Herbst 2006 ein Beispiel für eine gebundene Ausgabe, bei welcher auch kein zeitlicher Spielraum mehr bestehen wird. Es ist offensichtlich, dass der vorliegende Fall völlig anders, ja geradezu gegenteilig liegt. Das Rückhaltebecken soll ja gerade eigentlich unerwünschtes Mischwasser sammeln und der ARA zuführen. Eine solche Verlegenheitslösung kann kaum zeitliche Priorität oder Dringlichkeit für sich beanspruchen.


C) Keine Grundlage aus übergeordnetem Recht
Es wurde bereits dargetan, dass kein Beschluss des zuständigen Gemeindeorgans (Urne) sich je materiell mit dieser Investition oder dem GEP befasst hat (1.a).
§§ 14 und 15 EgzGSchG können ebenfalls nicht als Grundlage herangezogen werden. Daraus ergibt sich zwar eine Planungspflicht für den GEP (zu welchem der Gemeinderat dennoch 1992 einen Kreditantrag an der GV stellte). Beim übrigen Text handelt es sich aber keineswegs - wie der Bezirksrat meint - um eine Norm, aus welcher eine Verschiebung von Kompetenzen innerhalb einer Gemeinde und damit Gebundenheit hergeleitet werden könnte. Hier wird ein Prozess beschrieben, bei welchem die Entwässerungsanlagen andauernd mit der Planung und der baulichen Entwicklung in der Gemeinde abgestimmt werden sollen (sind in Übereinstimmung mit.....zu erstellen). Daraus ergibt sich die Möglichkeit z.B. eine viel zu kleine (oder viel zu grosse) Dimensionierung einer Kläranlage auf dem Rechtsweg zu rügen und Abhilfe durchzusetzen. Die richtig dimensionierte Anlage muss dennoch in die Volksabstimmung (vgl. Thalmann S. 360).

Die Siedlungsentwässerung Wallisellens entspricht in vielen Teilen nicht der Gesetzgebung. Der Gemeinderat gibt dies indirekt auch zu, indem er einräumt, dass das angewandte Gebührensystem weitgehend dem Verursacherprinzip widerspricht. Dabei ist Art. 60a GSchG in dieser Hinsicht unmissverständlich: Die Kosten der Entwässerung sind den Verursachern unter Berücksichtigung der Art und Menge des Abwassers zu überbinden. Der Gemeinderat verweist dabei auf die Vereinbarung mit der Stadt Zürich, wonach er nach Einwohnergleich-werten an die Betriebskosten zahle, und deshalb durch das Herausnehmen von sauberem Regenwasser und die Entlastung der Kläranlage Werdhölzli selbst für sich gar nichts sparen könne (vgl. Beilage 6 zur Duplik). Genau in dieser Externalisierung von Kosten (auf andere) und den Quersubventionierungen innerhalb der Gemeinde liegt das Problem, welches zur Mengenausweitung des Mischwassers führen musste. Es ginge aber auch anders: Die Kläranlagen Opfikon/Kloten/Flughafen sowie Dübendorf/Wallisellen verteilen die Betriebskosten nach Menge und Grad der Verschmutzung des eingelieferten Abwassers.

 

D) Erheblicher sachlicher Entscheidungsspielraum
Wie bereits ausführlich in den vorangegangenen Rechtsschriften dargelegt, gibt es zahlreiche Alternativen, welche den Bau eines Rückhaltebeckens für Mischwasser überflüssig machen würden. Bereits erwähnt wurden insbesondere die lokale Versickerung, das Einspeisen von sauberem Meteorwasser in ein Oberflächengewässer und den Bau eines offenen Beckens für sauberes Regenwasser. All diese Massnahmen sind geeignet gleichzeitig die Abflusspitzen zu brechen und zusätzlich die Wassermenge, welche die ARA belastet, zu reduzieren. Der Ge-meinderat hat behauptet, diese Massnahmen, dort wo es möglich sei, bereits anzuwenden. Das mögliche Entlastungspotential wird in Wallisellen jedoch so gut wie gar nicht ausgeschöpft.

Das wichtigste Projekt in diese Richtung - die Öffnung des Hörnligrabenbaches mit der Anlage eines Weihers, dem Anlegen von Magerwiesen, Pflanzen von seltenen Bäumen und der Einspeisung des Meteorwassers aus dem gesamten Schäfligrabenquartier (rund 15% des Walliseller Gesamtvolumens) wurde an einer Gemeindeversammlung zu Fall gebracht. (keine gebundene Ausgabe !) Der Organisator der damaligen Gegenkampagne (Bretscher) hat nun zusammen mit einem anderen lokalen Unternehmer den Bauauftrag für das Rückhaltebecken erhalten. Das damals abgelehnte Hörnligrabenprojekt hätte klar unter einer Million gekostet, wäre von Kanton und BUWAL zu 50% gefördert und im übrigen mit einem Beschäftigungs-programm für Arbeitslose realisiert worden. Kritisiert wurde damals, dass ein Beschäftigungs-programm das Gewerbe konkurrenziere, die Ausgabe zu hoch sei (!) und dass im Weiher Kinder ertrinken würden. Heute ist klar, dass diese Kampagne einen anderen Hintergrund hatte. Der Gemeinderat hat seither nicht einmal versucht Teile des damaligen ausgezeichneten Projektes (z.B. die Bachöffnung) in eigener Kompetenz (bis 200'000) zu realisieren.

Zu einer anderen bereits vorgeschlagenen Massnahme - der Förderung von Regentonnen - hat sich der Gemeinderat nie geäussert. Insbesondere hat er nie behauptet, dass dieser Massnahme Hinderungsgründe entgegenstünden. Es ist auch tatsächlich so, dass die lokale Versickerung oder das Einspeisen in ein Oberflächengewässer Massnahmen sind, welche nicht überall zu vertretbaren Kosten realisiert werden können. Die Förderung von Regentonnen dagegen schon. Diese Methode, welche Regenwasser gleichzeitig trennt und zurückhält, ist verhältnismässig preiswert und an jedem Standort anwendbar.

Selbst wenn man zur Auffassung gelangen würde, dass es ein Rückhaltebecken dieser Art braucht, verbliebe immer noch ein erheblicher sachlicher Handlungsspielraum in der Gestaltung und den Kosten. Die Herti ist der Verkehrs-Haupt-Eingang zu Wallisellen, also ein durchaus prominenter Standort, zu dessen optischer Gestaltung die Bevölkerung in jedem Fall ein Mitspracherecht hat.

 

E) Unverhältnismässige Bilanz von Kosten und Nutzen
Die Kosten dieses Beckens sind immens. Sie belasten die bereits mit über 20 Millionen verschuldete Abwasserrechnung mit Zusatzkosten von jährlich Fr. 520'000.-

In Anwendung der Berechnungsmethoden der Kläranlage Opfikon/Kloten/Flughafen:
Kapitalfolgekosten 3% von 5'075'000 152'250
Abschreibungen (Durchschnitt von 20 Jahren 10% des Restwertes 222'900
Unterhalt 1.15% der Investition 58'363
Zusätzlich zu klärendes Mischwasser 30 Regenereignisse pro Jahr,
jedes Mal 3000 Kubikmeter,
pro Kubikmeter 1 Franken 90'000

Total Zusatzkosten Herti Pro Jahr 523'513

Der Nutzen ist dagegen fraglich. Der Gemeinderat darf nicht mehr als die doppelte normale Schmutzwassermenge in den Werdhölzli-Stollen leiten. Mit Hilfe des Rückhaltebeckens Herti umgeht er den Sinn dieser Bestimmung und versetzt sich in die Lage, die während des Regenereignisses anfallende Schmutzwassermenge mit der fünf oder sechsfachen Regen-wassermenge zu vermischen und nach und nach der ARA zuzuführen. Aus einer einfachen Modellrechnung lässt sich ersehen, dass dadurch eine höhere Gewässerverschmutzung eintritt, als wenn es gelänge das Eindringen von Sauberwasser ins Kanalnetz bis auf die verlangte doppelte Normalmenge zu reduzieren.

Die Normalmenge (100) wird zu 98% gereinigt (vgl. Zahlen Opfikon: www.klaeranlage.ch). Ins Gewässer gelangen demnach Schmutzeinheiten von der Menge 2.
Bei einer Vermischung mit Regenwasser im Verhältnis 1:1 gelangt eine Menge von 200 zur Klärung. Dabei reduziert sich der Wirkungsgrad auf 96%. Die Verschmutzung beträgt 8 Einheiten.
Mit der vorgesehenen Mengenausdehnung und zusätzlichen Verdünnung steigt die zu klärende Menge auf 600 und der Wirkungsgrad sinkt auf 92%. Das bedeutet, dass statt 8 ca. 48 Verschmutzungseinheiten ins Gewässer gelangen. Natürlich beansprucht diese Modellrechnung nicht, die konkreten Verhältnisse in Wallisellen präzise zu beschreiben. Aber es ergibt sich ein klarer Trend, welcher darauf hinweist, dass wir es vorliegend mit einer extrem teuren Investition zu tun haben, deren Nutzen stark angezweifelt werden muss.
Mit einer halben Million könnten dagegen pro Jahr zwei Bäche geöffnet und zur Meteorwassereinleitung bereitgestellt werden oder ein dezentrales Rückhaltevolumen in Form von Regentonnen in der Grössenordnung von 625 Kubikmeter (pro Jahr) realisiert werden. Ganz abgesehen davon, müsste die öffentliche Hand Massnahmen auf privaten Grundstücken nicht einmal zu 100% finanzieren, es würde bereits genügen, sie durch Anreize oder Subventionen zu fördern.

Besser als eigene Plausibilitätsberechnungen anzustellen, wäre es natürlich gewesen, an dieser Stelle präzise offizielle Vergleichszahlen zu Nutzen und Kosten unterschiedlicher Mass-nahmen der Siedlungsentwässerung aufgrund von gemachten Erfahrungen zu präsentieren. Der Gemeinderat hat dies ebenfalls nicht gemacht. Abklärungen bei der Eidgenössischen Anstalt für Wasserversorgung und Gewässerschutz (EAWAG), der kantonalen Baudirektion Abteilung Gewässerschutz sowie bei einer renommierten Firma im Bereich der Planung und des Baus von Klärsystemen (Gebrüder Hunziker/ Winterthur) haben jedoch ergeben, dass niemand über solche Zahlen verfügt, noch je davon gehört hat, dass sie existieren. Diese Auskunft ist ebenso überraschend wie bedenklich, öffnet doch die Abwesenheit von klaren Entscheidungsgrundlagen unerwünschter Einflussnahme von Partikularinteressen Tür und Tor. Das wirft die Frage auf, aufgrund welcher Beurteilungen überhaupt über die Bewilligungen solcher Investitionen entschieden wird. Gemäss Auskunft des kantonalen Amtes würde eine solche Investition erst dann nicht bewilligt, wenn z.B. dadurch das Fassungsvermögen eines Gewässers überschritten würde. Wirtschaftliche Kriterien würden (mangels Vergleichszahlen) nicht aktiv herangezogen und Vergleiche zu alternativen Lösungen nicht angestrengt.

Wie kann behauptet werden, dass eine Lösung die wirtschaftlichste und beste sei, wenn weder der Nutzen noch die Kosten der verschiedenen technischen Möglichkeiten quantifiziert und verglichen worden sind ? Wo keine Abstützung auf eine objektivierte Sachlage vorgenommen werden kann, hat Gebundenheit keine Basis. Erst eine Abstimmungskampagne, in welcher beide Seiten ihre Argumente auf den Tisch legen, vermag jene Legitimität zu begründen, welcher ein Entscheid in dieser finanziellen Dimension bedarf.

 

F) Treuwidriges Verhalten des Gemeinderates
Viele Stimmbürgerinnen und Stimmbürger haben in der Gemeinde Wallisellen darauf gewartet, dass die Vorlage über dieses Rückhaltebecken zur Abstimmung gelangt, gewartet in der Absicht, durch die Bodigung dieser Vorlage einer naturnäheren Abwasserpolitik zum Durchbruch zu verhelfen.
Der Gebundenheitsentscheid kam überraschend und stand im Widerspruch zu früher gemachten Ankündigungen (Weisung von 1992, Definition der eigenen Praxis betr. Gebundenheit von 1995, Beilage zur Replik). Stattdessen hat der Gemeinderat nicht einmal mit dem Baubeginn zugewartet bis jene 20 Tage Frist verstrichen waren, während dessen ein Rechsmittel eingereicht werden kann. Es ist ihm durch dieses Vorgehen offenbar auch tatsächlich gelungen Fakten zu schaffen, die ausserhalb seines Kompetenzbereiches liegen. Gleichzeitig wurde mit diesem Vorgehen Vertrauen zerstört., sowohl in die Rechtmässigkeit der Verfahren als auch in die Lauterkeit der Motive.

Pierrette Chollet