Kinder brauchen Kinder
Herausforderung Familienpolitik

Kantonsrätin Julia Gerber-Rüegg sprach und diskutierte an der Veranstaltung in der Kaserne Wallisellen über die Möglichkeiten der Familienpolitik auf Gemeindeebene.

Basis jeder Politik ist eine sorgfältige Analyse der aktuellen Situation. Und da fällt ins Auge, dass es für Kinder heute viel schwieriger geworden ist andere Kinder zum gemeinsamen Spielen zu finden. Kinderreiche Familien sind selten, spontanes Spielen in Quartieren ebenso. Das soziale und sprachliche Lernpotential im frühen Alter bleibt so vielfach ungenutzt. Es gibt nicht nur einsame Kinder, sondern auch einsame Mütter. Und drittens sind gemäss einer Untersuchung in der Schweiz 45% der Schulkinder ungenügend betreut. Das ist eine "Randgruppe" in einer alarmierenden Grössenordnung. All diese und weitere Ursachen erschweren den Unterricht und belasten die Schulen. Zur Entlastung des Unterrichts von den Problemen, bedarf es diverser Massnahmen und Angebote im Vorschulalter. In der Pflicht sind hier in erster Linie die Eltern. Allerdings zeigt die Erfahrung, dass diese Pflicht nicht überall in wünschenswerter Weise wahrgenommen wird. Die Probleme, welche dadurch entstehen, lassen sich am besten, billigsten und wirksamsten verhindern, beheben oder reduzieren, je früher in der Entwicklung eines Kindes eine Massnahme wirken kann.

Einige Angebote vorhanden

Mit Hort, Krippe, Mittagstisch und Tagesfamilien gibt es in Wallisellen bereits wichtige Angebote. Dem Vernehmen nach können sie allerdings die steigende Nachfrage nicht mehr befriedigen. Auch eine etablierte fachlich versierte Koordinationsstelle muss erst noch aufgebaut werden. Noch schwieriger wird es sein, Wege zur Früherkennung von Problemen zu finden. Denn ausser denjenigen, welche sich heute bereits Hilfe und Rat holen oder ein Angebot nutzen, gibt es immer noch Familien, bei welchen lange unbemerkt die Probleme wachsen.

Netze stärken

Der Begriff der Familienpolitik geht weit über die klassische Kleinfamilie hinaus. Zu einer intakten durch gesellschaftliche Bindungskräfte zusammengehaltenen Gemeinschaft gehören auch Verwandte, Freunde, Nachbarn. Günstige Voraussetzung ist ein vitaler öffentlicher Raum, der Sicherheit bietet sowie die Möglichkeiten, Teilzeit arbeiten zu können, nicht nur für Mütter, sondern auch für Väter. Das audiovisuelle Zeitalter mit all seinen Ablenkungen und die räumliche Trennung von Wohnen und Arbeiten (Siedlungsstruktur und Verkehr) schwächen diese Netze ebenso wie die Tendenzen zur ethnischen Abgrenzung, von welcher Seite sie auch immer ausgehen. Wenn die Schweiz ihre guten Tugenden, welche es ihr ermöglicht haben, als Land ohne Bodenschätze erfolgreich zu sein, bewahren will, müssen diese erfolgbringenden Eigenschaften möglichst an die ganze in unserem Land aufwachsende Jugend weitergegeben werden. In diesem Sinne lautet die Alternative: Familienpolitik und Ausbildung einer integrativen weltoffenen Schweizer Identität oder Ghettoisierung nach amerikanischer Art.

Heine J. Dietiker