Abstimmung vom 14. Juni

Zwei Millionen beträgt der Freibetrag, den man weiterhin steuerfrei und leistungslos erben kann. Und für die KMU Betriebe wird das bürgerlich dominierte Parlament eine vermutlich viel zu grosszügige Lösung finden. Das Geschrei der Initiativ-Gegner ist also reine Desinformation.

Die Erbschaftssteuer ist weder neu noch ein Folterwerkzeug aus dem Arsenal des real existierenden Sozialismus. Es war und ist ein Instrument des liberalen Rechtsstaates. Es war der Freisinn, welcher die Erbschaftssteuer eingeführt hat, um die extreme Machtposition des Adels, der demokratiefeindlich gesinnt war, zu schwächen.

Leistungsgesellschaft

Die Existenz einer überprivilegierten Schicht zerstört den Leistungswillen in jeder Gesellschaft. Die Geschichte zeigt klar, dass Gesellschaften, die sich im Aufstieg befinden, durchlässig sind.

Jeder kann durch seine persönliche Leistung im Prinzip jede Position anstreben und erreichen. Gesellschaften jedoch, in denen eine hochprivilegierte Oberschicht dominiert, befinden sich im Niedergang, in der Dekadenz. Warum das so ist, kann jeder leicht verstehen. Wenn man oben sein und bleiben kann, ohne sich anzustrengen, nur durch Erben, ist das kein Leistungsanreiz. Und wenn man unten bleibt, egal wie sehr man sich anstrengt, ebenfalls nicht.

In den vergangenen Jahren hat sich eine regelrechte Reprivilegierung der Schweiz entwickelt. Riesige Vermögen sammeln sich in den Händen von ein paar hundert Familien. Mit diesen Vermögen verbunden sind auch Einfluss und Beziehungen in der Wirtschaft und Politik. Diese Vermögen finanzieren die Plakate, welche Unwahrheiten verbreiten und die Bevölkerung dazu veranlassen, gegen ihre eigenen Interessen abzustimmen.

Korrektur einer falschen Entwicklung

Dieser Initiative vorausgegangen ist die Abschaffung der Erbschaftssteuer für Kinder und Enkel in den allermeisten Kantonen. Alle anderen erbenden Verwandten und Freunde zahlen heute übrigens massiv Erbschaftssteuer und würden bei Annahme der Initiative vom Freibetrag entlastet. Aus heutiger Sicht muss festgestellt werden, dass diese Abschaffung ein grober Fehler war und schwerwiegende Folgen hatte, die nun wieder korrigiert werden müssen. Nehmen wir als Beispiel den Kanton Zürich. Die Abschaffung der Erbschaftssteuer für direkte Nachkommen führte zu Einnahmeausfällen des Kantons von 200 Mio. pro Jahr. Die Politik schnürte ein Sparpaket, Handarbeitslehrerinnen verloren den Job, bei der Musikschule wurde gestrichen, viele Angestellte und Bürger mussten Einbussen hinnehmen.

Und wer hat profitiert? Eine Analyse ergab, dass von den 200 Mio. die pro Jahr fehlten, durchschnittlich 180 Mio. von bloss 6 Erbschaften gestammt hätten. Von Leuten also, die eine halbe Milliarde erben und es kaum spüren würden, müssten sie einen Bruchteil davon für den Service Public unserer Gemeinschaft hergeben. In den vergangenen Jahren wurde eine Strategie verfolgt, den Staat auszuhungern. Im Hinblick auf die wachsenden Kosten in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Alterssicherung wäre eine Fortsetzung dieser Strategie unvernünftig.

Zusammenhang mit der Schuldenkrise

Staaten, Unternehmen, Private und Banken vereinigen heute Schulden in noch nie gesehenem Ausmass auf sich. 200 Billionen oder 258% des weltweiten BIP. Selten hört oder liest man die Frage nach den Gläubigern. Wem werden diese riesigen Summen eigentlich geschuldet? Die Antwort ist klar, jenen Superreichen, deren Vermögenssteuern, Erbschaftssteuern und Einkommenssteuern in den letzten fünfzig Jahren laufend gesenkt oder sogar abgeschafft worden sind. Dadurch ist eine Situation entstanden, welche die Währungsstabilität gefährdet, das Wachstum abwürgt und letztlich die gesamte Marktwirtschaft zum Kollabieren bringen kann.

Riesige Vermögen wirken sich lähmend auf die Wirtschaft aus. Den Konsum können sie nicht befeuern, selbst bei maximaler Verschwendung kann man Milliardenvermögen nicht verkonsumieren. In die Realwirtschaft wird jedoch nur investiert, wenn eine entsprechende Konsumnachfrage vorhanden ist. Um diese einigermassen zu stützen haben sich Staaten und Private eben in den letzten Jahren mehr und mehr verschulden müssen. Aber auch diese Notlösung kommt nun an ihr natürliches Ende, weil noch höhere Schulden mit der limitierten Kreditwürdigkeit nicht vereinbart werden können. Also verursachen die Riesenvermögen, mit denen sich nichts Sinnvolles mehr anstellen lässt, eine irrwitzige Spekulationsblase auf den Finanzmärkten. Und diese ist brandgefährlich.

Ein Beitrag zur Lösung

Die Wiedereinführung der Erbschaftssteuer für Erbschaften von mehr als 2 Mio. reicht natürlich noch nicht aus, diese weltweiten Probleme zu lösen. Es wäre jedoch ein bedeutender Schritt in die richtige Richtung, dem noch weitere folgen müssen. Ein Blick in die Geschichte zeigt, was die Alternative wäre. Dysfunktionale Systeme werden entweder durch Reformen wieder ins Lot gebracht, oder sie gehen in Krieg und Chaos unter.

Dieser Artikel erscheint im Anzeiger von Wallisellen vom 21.5.2015